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Nachbarschaftsrecht

Das private Nachbarschaftsrecht ist ein Teil des Zivilrechts und regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen den benachbarten Grundstückseigentümern. Ziel ist es, das friedliche Zusammenleben in räumlicher Nähe zu ermöglichen und typische Konflikte – etwa wegen Lärm, Überwuchs oder Einsicht – rechtlich zu lösen. Es unterliegt dem Spannungsfeld zwischen Eigentumsfreiheit und Rücksichtnahmepflicht. Eine Besonderheit des Nachbarrechts stellt das sogenannte nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis (§ 242 BGB) dar. Dieses kann im Einzelfall vor dem Hintergrund der wechselseitigen Rücksichtnahme die Eigentumsfreiheit des betroffenen Nachbarn beschränken oder erweitern.

Rechtsquellen des Nachbarschaftsrechts

Das Nachbarschaftsrecht ist nicht in einem einzigen Gesetz umfassend geregelt, sondern setzt sich aus verschiedenen Normen zusammen:

  • §§ 903–924 und § 1004 BGB sind zentrale Regelungen,

  • Landesnachbarrechtsgesetz NRW/NDS, zum Teil konkretisieren, was im BGB nur allgemein geregelt ist,

  • ggf. auch Gewohnheitsrecht und lokale Bau- oder Pflanztraditionen.

Zentrale Prinzipien und Rechtspositionen

  • Eigentumsfreiheit
    Der Eigentümer darf mit seinem Grundstück grundsätzlich nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen (§ 903 BGB). Das Nachbarschaftsrecht begrenzt in bestimmten Fällen diese Freiheit durch das Gebot der Rücksichtnahme.
     

  • Verbot der rechtswidrigen Beeinträchtigung
    Wenn ein Nachbar durch Einwirkungen (z. B. Lärm, Gerüche, Licht) in seinem Eigentum beeinträchtigt wird, hat er einen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch (§ 1004 BGB), sofern die Einwirkung nicht ortsüblich oder zumutbar ist.
     

  • Zumutbarkeit
    Nicht jede Beeinträchtigung ist unzulässig. Vieles muss geduldet werden, wenn es ortsüblich ist oder keine wesentliche Beeinträchtigung darstellt (§ 903 BGB) – z. B. Kinderlärm, Glockengeläut, oder landwirtschaftliche Gerüche.

Typische Konflikte im Nachbarschaftsrecht

  • Grenzabstände für Bäume und Sträucher
    Die Nachbarschaftsgesetze der Länder regeln oft detailliert, wie weit Bäume und Hecken von der Grundstücksgrenze entfernt sein müssen (z. B. 50 cm für Sträucher, 2 m für höhere Bäume). Verstöße können zu Entfernungsansprüchen oder Rückschnittforderungen führen.

     

  • Überhang und Überwuchs (§ 910 BGB)
    Ragen Äste oder Wurzeln über die Grundstücksgrenze, darf der Nachbar sie abschneiden, wenn der Eigentümer trotz Aufforderung nichts unternimmt. Voraussetzung: Die Beeinträchtigung muss unzumutbar sein.

     

  • Immissionen (§ 906 BGB)
    Hierunter fallen Geräusche, Rauch, Abgase, Erschütterungen, Licht oder Schmutz. Der Nachbar muss diese dulden, wenn sie ortsüblich und zumutbar sind. In bestimmten Fällen kann ein Ausgleichsanspruch bestehen.

     

  • Einsicht und Einfriedung
    Fragen zu Zäunen, Mauern oder Sichtschutz sind in Landesgesetzen geregelt. Wer z. B. einen Zaun errichtet, muss meist gewisse Höhen und Materialien einhalten. Auch das Recht auf Sichtschutz (z. B. durch Hecken) spielt eine Rolle, insbesondere bei Balkonen oder Terrassen.

     

  • Notwegerecht (§ 917 BGB)
    Hat ein Grundstück keine Verbindung zur öffentlichen Straße, kann ein Nachbar verpflichtet werden, die Nutzung eines Weges zu dulden – gegen angemessene Entschädigung.

     

Schlichtungsverfahren vor einer Gütstelle

Nachbarschaftsstreitigkeiten können sich schnell verhärten. Viele Landesgesetze sehen deshalb Schlichtungs- oder Güteverfahren vor, bevor eine Klage eingereicht werden kann. In Nordrhein-Westfalen ist ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren einer Gütestelle vor Erhebung einer Klage in Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht in § 15a Abs. 1 Nr. 2 EGZPO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 JustG NRW geregelt.

Durchsetzung von Rechten

Wer sich durch den Nachbarn gestört fühlt, hat folgende Möglichkeiten:

  • Zunächst außergerichtliche Aufforderung zur Beseitigung oder Unterlassung,

  • bei Erfolgslosigkeit, Klage auf Beseitigung (§ 1004 Abs. 1 BGB) oder Unterlassung (§ 1004 Abs. 2 BGB),

  • ggf. auch Schadensersatzansprüche (§ 823 BGB), sofern Schäden entstanden sind,

  • in akuten Fällen kann ein Antrag auf einstweilige Verfügung
    (§§ 935, 940 BGB) sinnvoll sein.

Fazit

Das Nachbarschaftsrecht ist ein vielschichtiges Rechtsgebiet, das stark von Einzelfällen, regionalen Gesetzen und praktischer Zumutbarkeit geprägt ist. Es erfordert nicht nur juristische Kenntnisse, sondern auch Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Beteiligten. Die Kunst liegt oft darin, Rechtsansprüche durchzusetzen, ohne das Verhältnis der Nachbarn dauerhaft und nachhaltig zu zerstören.

Fazit

Das Sozialrecht betrifft viele Menschen im Laufe ihres Lebens – oft in existenziell wichtigen Situationen. Umso wichtiger ist es, hier Klarheit über Rechte, Ansprüche und Handlungsoptionen zu haben.

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